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    Sturm im Anzug: Die Frühindikatoren drehen

    Nach dem gestrigen Kursrutsch in den USA steht die Frage: Wie wird die Woche enden? Wird der sprichwörtliche "Freitag, der Dreizehnte" zu einem schwarzen Freitag? Da wir alle keine Kristallkugel haben, sollte man sich an die Fakten halten. Ich beobachte zwei Indikatoren, die mit relativer Sicherheit immer wieder ankündigen, wenn Ungemach im Anzug ist. 

    Da ist zunächst der New High-New Low-Indikator. Sein Prinzip ist einfach: Es wird täglich die Zahl der Aktien ermittelt, die ein neues 52-Wochen-Hoch erreichen. Außerdem kann man das Ganze auch im kürzerfristigen Zeitfenster auszählen. Denn bevor eine Aktie den höchsten Stand der zurückliegenden zwölf Monate erreicht, muss sie zunächst ein neues 20-Tages-Hoch (den höchsten Stand des Handelsmonats) und ein neues 65 Tage-Hoch (den höchsten Stand des Quartals) erreichen. Als Zweites werden die dazugehörigen Tiefs ermittelt: Wie viele Aktien erreichen heute den tiefsten Stand der letzten 12 Monate, 20 und 65 Tage? Schließlich wird die Zahl der Tiefs von der Zahl der Hochs subtrahiert und ergibt den Indikator. 

    Natürlich muss man das im Zeitalter von Internet und Börsenportalen nicht selbst machen, die Webseite von barchart.com liefert mir diese Zahlen täglich frei Haus. Ich trage sie lediglich in eine Excel-Tabelle ein (Teil meiner täglichen Morgenroutine) und schaue mir die dazugehörige Grafik an.   

    Es fällt auf, dass der 20-Tage-NHNL und der 12-Monats-NHNL bereits seit dem 09. November negativ sind, gestern haben sie deutlich ins Minus gedreht. Natürlich ist auch das keine Kristallkugel, aber wenn es gestern 906 Aktien gegeben hat, die ein neues 20-Tages-Tief und nur 156, die ein neues 20-Tages-Hoch erreicht haben, hat das eine gewisse Aussagekraft. Auf 12-Monats-Basis sehen wir gestern 281 neue Tiefs, aber nur 44 neue Hochs. Das Verhältnis von knapp sieben zu eins spricht für einen marktbreiten Abschwung. Die Zahlen gilt es im Auge zu behalten. In der Regel kündigen diese Indikatoren nicht nur an, wann eine Abwärtsbewegung zu erwarten ist. Noch interessanter ist die Ankündigung des Endes dieser Bewegung. So sind Werte von minus 1.500 auf 12-Monats-Basis nicht nachhaltig und deuten darauf hin, dass man seine Gewinne aus Short-Positionen besser absichert. 

    Ein zweiter relativ sicherer Frühindikator für Bären-Attacken ist die VIX-Terminstrukturkurve. Der amerikanische Volatilitätsindikator VIX wird auf der Grundlage von At-the-Money-Putoptionen auf den S&P-500-Future berechnet. Diese Puts sind Versicherungen gegen fallende Kurse. Werden diese plötzlich gekauft (eine beliebte Taktik der institutionellen Anleger, des "Smart Money"), dann werden sie teurer und der VIX steigt. Auf den VIX wiederum gibt es Futures-Kontrakte mit verschiedenen Verfallsmonaten - für jeden Monat einen. Normalerweise befinden diese Kontrakte sich im Contango, d. h. die weit entfernt verfallenden Kontrakte sind teurer als diejenigen, die als nächstes verfallen. Logisch, denn: Innerhalb eines halben Jahres kann eben mehr passieren, als innerhalb von 20 Tagen. Deshalb sind auch länger laufende Versicherungen teurer als eine Reisekrankenversicherung, die nur 30 Tage Sommerurlaub abdeckt. 

    Manchmal jedoch dreht diese Terminstrukturkurve. Dann sind plötzlich kurzlaufende Versicherungen (Put-Optionen auf den S&P-500-Future) wahnsinnig gefragt und werden viel teurer als üblich, manchmal sogar teurer, als die Kontrakte, die erst ein halbes Jahr später verfallen. Dieses Phänomen tritt selten auf, aber es kündigt relativ sicher an, dass große Marktteilnehmer eine Abwärtsbewegung in naher Zukunft erwarten. 

    Die Grafik zeigt drei Kurven, die unterschiedliche Situationen skizzieren: Die blaue Kurve stammt vom Freitag, 21. August 2015. Wie man sieht, standen die kurzlaufenden VIX-Futures bei 20, die folgenden Verfallsmonate waren billiger und signalisierten: Es steht kurzfristig Ärger ins Haus. Am Montag, 24. August 2015, kam es dann zu einem großen Abverkauf an den Märkten. Der VIX hat weder das Ausmaß, noch das genaue Timing antizipiert. Aber er hat signalisiert, dass es klug gewesen wäre, vorsichtig zu sein. 

    Die grüne Kurve stammt vom 5. November, ist also eine Woche alt. Der VIX stand bei etwa 16, die Kurve steigt stetig nach rechts oben an. Der Markt befindet sich also in ruhigem Fahrwasser, niemand rechnet mit Turbulenzen. 

    Die orange Kurve stammt von gestern. Erstens steht der VIX etwa zweieinhalb Prozentpunkte höher als vor einer Woche - bei etwa 18,5. Es ist also eine erhöhte Nervosität eingepreist, Versicherungen sind schon etwa 15% teurer als vor einer Woche. Zweitens sehen wir, dass die Kurve flacher wird, was darauf hindeutet, dass mehr kurzfristige Versicherungen nachgefragt werden. Es könnte also sein, dass die Kurve weiter dreht. Ich betrachte täglich die Veränderung der Kurve und werde besonders hellhörig, wenn sie nach und nach seltsame Formen annimmt. Dann gilt es, auf der Hut zu sein.

    Wie bei allen Börsen-Indikatoren gilt auch hier: Die VIX-Terminstrukturkurve ist keine Kristallkugel. Sie ist ein Mosaiksteinchen im großen Bild. Ein Mosaikstein allein macht noch kein Kunstwerk aus. Aber aus Hunderten von bunten Steinchen kann man schöne Gesamtkunstwerke erschaffen.     

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