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    Ernüchterung im Aktienmarkt: Zittern vor der Zinswende

    Die Pressekonferenz von EZB-Chef Mario Draghi am 3. Dezember 2015 brachte einen Vorgeschmack auf das, was bis zum Jahresende kommen könnte. Der Dax verlor innerhalb eines Tages vom Hoch zum Tief über 600 Punkte, die größte Handelsspanne des Jahres. Am Montag nach Nikolaus sah es noch so aus, als könnte der deutsche Leitindex die 11.000 zurückerobern. Fünf Tage später darf mit einem Bruch der 10.000 gerechnet werden. 

    Im Wochenchart des Dax sehen wir zwei extrem bearishe Kerzen in Folge. Der Kassamarkt schloss am Freitag bei 10.340 Punkten, doch das war noch nicht das Ende. Der Future fiel im späten Handel noch bis unter die 10.300 und schloss bei 10.281,00, das Tagestief lag bei 10.268,50. Das ist die Marke, die am Montag unterschritten werden dürfte. Eine charttechnische Unterstützung könnte die runde 10.000 bieten. Sollte die fallen, wären Bewegungen bis zu den Septembertiefs möglich, also in Richtung 9.500 und darunter. In Deutschland werden die Marktbewegungen stärker ausfallen als im S&P 500. Das hat zwei Gründe: Erstens wird der S&P-Index aus 500 Aktien berechnet und nicht aus 30, wie der Dax. Es ist unwahrscheinlich, dass 500 Aktien im Gleichschritt in Richtung Süden marschieren. Die prozentualen Ausschläge im S&P 500 sind also tendenziell geringer. Für die 30 Aktien des Dax kann ein Kursverfall auf breiter Front aber durchaus eine Option sein. Noch dazu wo bekannt ist, dass der deutsche Markt eine Lungenentzündung bekommt, wenn Amerika nur hüstelt.

    Der zweite Grund ist fehlende Liquidität und Professionalität. In einem liquiden Markt wie den USA findet sich immer der eine oder andere Käufer. Pensionskassen und Versicherungen neigen dazu, zu früh zu kaufen (oder auch Warren Buffett). Professionelle Leerverkäufer decken Positionen ein, sobald ein Kursrutsch zum Stehen kommt. Sie bremsen damit den Kursverfall. In Deutschland aber ist die Marktliquidität gering, es gibt keine Warren Buffetts und keine Short-Hedge-Fonds, die in die Märkte einsteigen. Versicherungen halten sich auf Weisung der BaFin vom Aktienmarkt fern. Ergo: Es bleibt nur der Privatanleger. Der wird natürlich am Montag erst einmal von der Panik ergriffen und all seine Positionen „plattmachen“, bevor sich die deutsche Wirtschaft in Luft auflöst. 

    Auch der Tageschart des FDAX zeigt uns eine extrem bearishe Kerze. Fast 340 Punkte Handelsspanne und ein Schlusskurs nur 13 Punkte über dem Tief – das ist der Stoff, aus dem Panik gemacht wird. Am Wochenende werden sicher einige Entscheidungen gefallen sein und so können wir am Montagmorgen erst einmal mit einer tieferen Eröffnung des Kassamarktes rechnen. Außerdem werden viele Amateure einfach auf ein Durchrutschen des Marktes nach unten wetten. Nach den ersten Panik-Attacken rechne ich allerdings mit einem zügigen Rücklauf in Richtung der 10.400 bis 10.500, was die zweiten Panik-Attacken auslösen wird: Shorties, die auf dem falschen Bein erwischt wurden, müssen kaufen. Danach ist der Markt dann reif für den finalen Ausverkauf, der durchaus bis in Richtung der 9.500/9.400 (Tiefs von September und Oktober) gehen kann. Die Reihenfolge ist variabel. Es kann auch in einer ersten Panikwelle schon am Montag oder Dienstag bis unter die 10.000 gehen – wer weiß das schon? Wichtig ist: Man sollte in Zeiten erhöhter Volatilität genau wissen, wann man etwas tut und wann es besser ist, dem Markt fern zu bleiben. Der generelle kurzfristige Ausblick (etwa fünf Tage) ist bearish. Aber Gegenbewegungen von 200 bis 400 Punkten sind jederzeit möglich. Wir müssen nur eine Woche zurückblicken: Nach dem Sturz in Richtung 10.323,5 am 3. Dezember korrigierte der FDAX am 7. Dezember bis auf 10.994,5 Punkte, nur um dann im gesamten restlichen Wochenverlauf konsequent zu fallen. Und bitte nicht vergessen: Am kommenden Freitag ist zu allem Überfluss auch noch großer Verfallstag, hier werden also noch wilde, erratische Kursbewegungen auf uns zu kommen.  

    Dass es turbulent zugehen könnte in den nächsten Wochen, zeigt auch die Terminstrukturkurve der amerikanischen VIX-Futures. In der Vorwoche konnten wir uns noch über einen gesunkenen Volatilitätsindex und ein stabiles Contango freuen. Contango heißt: Die Schwankungen, die der Markt antizipiert (und in die Optionspreise für den S&P-Future einpreist), nehmen mit zunehmender Zeit zu. Getreu der Regel: In 240 Tagen kann ein Markt mehr schwanken, als in 30 Tagen. Doch was sehen wir heute: Die VIX-Terminstrukturkurve hat in Backwardation gedreht. In Zahlen heißt das: Die höchste Schwankungsbreite wird für die kommenden fünf Wochen erwartet. Der nächste VIX-Future verfällt am kommenden Mittwoch und impliziert eine Schwankungsbreite von 23,65% für die kommenden drei Tage. Erst ab März preisen die Märkte derzeit eine Marktberuhigung ein. Natürlich muss das nicht so kommen, denn die Bepreisung der S&P-Futures-Optionen folgt ebenfalls psychologischen Mustern. Wenn die Angst wächst, ist auch der professionelle Marktteilnehmer bereit, für Versicherungen (und Optionen sind Versicherungen) irrational viel zu zahlen. Aber es geht auch nicht um Zahlen oder um wahrsagerische Fähigkeiten. Es geht darum, dass die Kurve ihr Aussehen innerhalb einer Woche komplett geändert hat. Man sollte also besser den Sicherheitsgurt anlegen, den Schutzhelm aufsetzen und sich auf eine turbulente Achterbahnfahrt gefasst machen. 

    Wir sehen auch im New High-New Low-Index ein deutlich bearishes Bild. Sowohl im kurzfristigen, als auch im langfristigen Zeitfenster überwiegt die Zahl der neuen Tiefs deutlich die Zahl der neuen Hochs. Das kann auch noch so bleiben für die nächsten Tage. Erreichen die Ausschläge allerdings die extremen Spikes des Herbstes oder des Spätsommers, dann kann man schon mal Ausschau nach den ersten Long-Umkehrsituationen halten. Derzeit scheint es dafür noch zu früh. 

    Für eine Umkehr würde ich auch unbedingt auf den Ölpreis achten. Der ist derzeit in aller Munde, immerhin hat er ein Elfjahrestief erreicht. Auch der letzte Analyst ist jetzt bearish für Öl und die Frage scheint nur noch: Fällt der Ölpreis bis 30 oder sogar auf 25 Dollar pro Barrell? Der starke Dollar macht Öl für uns billig. Aber der US-Wirtschaft setzt der niedrige Preis zu und dürfte mittlerweile eine fünstellige Zahl an Arbeitsplätzen gekostet haben. Man betrachte außerdem nur die Aktienkurse von Exxon, Chevron oder auch Vanguard Natural Ressources. Jede kleine Aufwärtsbewegung im Ölpreis könnte also die Ölaktien und damit auch die Indizes generell beflügeln. Andererseits wird es bei weiter fallenden Ölpreisen schwierig für die Indizes zu steigen. 

    Insgesamt sollte man eines nicht vergessen: In knapp drei Wochen ist das Handelsjahr 2015 vorbei. Es sind noch weniger als 15 Handelstage, bis die Bücher der Institutionellen geschlossen werden. Wer seine Performance „im Sack“ hat, wird sie jetzt nicht mehr aufs Spiel setzen. Und wer es nicht geschafft hat, wird es auch in den letzten zweieinhalb Wochen nicht mehr schaffen. Bleiben wir also ruhig und freuen uns auf 2016. Auch da wird es Bewegung geben.

    Hinweis: Diese Information ist Teil des Markt-Updates, das die Mitglieder des Inner Circle am Wochenende erhalten. Es dient rein informatorischen Zwecken und ist nicht als Handelsempfehlung zu verstehen. Außerdem versende ich zum Wochenende meinen Dividendenkalender und die Statistik meines Zahltag-Depots inklusive offener und geschlossener Positionen, Gewinne und Verluste, Entwicklung der Equity usw. 

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