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    Das deutsche Rentensystem: Ein unheilbar kranker Patient?

    Was zeichnet einen guten Arzt aus? Er sollte nicht nur die richtige Diagnose stellen, also feststellen, woran der Patient krankt. Er sollte auch eine hilfreiche Therapie vorschlagen - also den Weg zur Wiederherstellung der Gesundheit. 

    Würde man das auf die Situation des deutschen Rentensystems übertragen, so wimmelt es in diesem Land nur so von überragenden Diagnostikern: Nahezu jeder, der in der Politik meint, etwas sagen zu müssen, hat am System der bismarckschen, umlagefinanzierten Altersrente etwas auszusetzen. Die Beiträge und das Rentenalter sind den einen zu hoch, den anderen zu niedrig. Einig sind sich die Parteifunktionäre jeglicher Coloeur, dass etwas falsch läuft. Jüngstes Beispiel: Der Deutsche Gewerkschaftsbund Berlin-Brandenburg. Der hat im Mai seinen dritten Rentenreport veröffentlicht und erkannt: In ganz Deutschland, insbesondere aber in Berlin und Brandenburg droht Altersarmut. Schon zum 30. Juni 2016 waren 29% der Gesamtbevölkerung des Landes Brandenburg Altersrentner, in Berlin waren es 21,6% und im Bundesdurchschnitt 25,5%. 

    Die Altersrenten sind seit 2000 für Neurentner zwar um 9,29% gestiegen, von 721 auf 788 Euro. Die Preise allerdings stiegen im gleichen Zeitraum um 24,7%. Das ergibt einen Kaufkraftverlust von mehr als zwölf Prozent. 

    Messerscharf diagnostizieren die Gewerkschaftsfunktionäre, dass das Rentenniveau seit vielen Jahren sinkt. Erhielten Rentner 1980 noch rund 57,6% des letzten Gehalts als Rente, so werden es 2030 nur noch 43% sein. Ein solches Rentenniveau führe zwangsläufig zu Altersarmut, gerade in Zeiten, wo es immer mehr "prekäre Beschäftigungsverhältnisse" gebe. So weit die Diagnose.  

    Wer nun aber denkt, die Therapie verspreche eine Gesundung des Systems, der liegt falsch. Zunächst einmal werden Forderungen an die Politikbeamten erhoben. Als ob nicht der Löwenanteil der Gewerkschaftsfunktionäre selbst Parteimitglied ist. Als ob nicht die Parteifunktionäre genau dieses kranke Rentensystem erst geschaffen hätten. Selbstständige sollen in die gesetzliche Rentenversicherung zwangsweise einzahlen, fordert der DGB. Beamte übrigens werden nicht erwähnt. 

    Die Lösung, die von den steuer- und beitragsalimentierten Gewerkschaftsfunktionären vorgeschlagen wird, läuft am Kernproblem vorbei: Es fehlen schlicht und ergreifend die Beitragszahler, um das System aufrecht zu erhalten. Wer das nicht glaubt, dem empfehle ich einen Besuch auf der Webseite des Statistischen Bundesamtes.  

    Dort gibt es ein hübsches Spielzeug - eine dynamische Bevölkerungspyramide. Mit deren Hilfe lässt sich die Altersstruktur der Bundesrepublik Deutschland bis ins Jahr 2060 simulieren. 

    Die Statistiker haben herausgefunden, dass 2016 21% der deutschen Bevölkerung, also etwa 17,5 Millionen Menschen, älter als 65 Jahre waren. Nehmen wir einmal an, das sind die Rentner. In der Altersgruppe von 20 bis 64 Jahren gab es 49,5 Millionen Menschen, also 61% der Bevölkerung. Auf jeden Rentner können also maximal 2,82 arbeitende Beitragszahler kommen, aber nur dann, wenn jeder, der über 20 und unter 65 ist, zwangsweise in die Rentenkasse einzahlen würde. Nur 14,6 Millionen Menschen sind jünger als 20 Jahre, also 18% der Bevölkerung. 

    Im Jahre 2036, also genau 20 Jahre später, rutscht ein Großteil der Erwerbstätigen selbst ins Rentenalter, während die Minderjährigen zu Beitragszahlern werden. Und jetzt sieht das Bild so aus, dass der Anteil der über 65jährigen auf 30% der Bevölkerung angestiegen sein wird. Der Anteil potentieller Beitragszahler (20 - 64 Jahre) fällt auf 53%. Das ergibt ein Verhältnis von nur noch 1,74 maximal möglichen Beitragszahlern pro Rentner. 

    Sie möchten selbst nachrechnen? Die dynamische Bevölkerungspyramide kann sich jeder selbst anschauen und sie sich unter verschiedenen Voraussetzungen (viel oder wenig Zuwanderung, ältere oder jüngere Bevölkerung) konfigurieren. Wie man es auch dreht: Es gibt nicht genügend Beitragszahler für ein stabiles Rentensystem. Es sei denn, die Parteifunktionäre erhöhen permanent die Beiträge,  das Renteneintrittsalter und erschließen neue Beitragszahler. 

    Die ideologischen Scheuklappen der deutschen Polit-Kaste versperren den Blick auf die einfachste Lösung: Der Übergang vom umlage- zum sachwertbasierten Rentensystem. Norwegen hat schon vor Jahren einen Staatsfonds geschaffen, der in Unternehmen investiert und mit den Dividenden die Renten mitfinanziert. In Deutschland gibt es kaum jemanden, der eine solche Idee auch nur laut ausspricht.

    Eine tragbare, aber politisch illusorische Lösung, wäre die komplette Umstellung auf ein System, in dem jeder für seine eigene Rente vorsorgt. Beispielsweise durch Investitionen in Sachwerte (Unternehmen, Immobilien), die laufende Erträge abwerfen und damit eine Rente schaffen, die an das Produktivvermögen gebunden wäre. Ist das unsolidarisch? Eher nicht, denn wenn jeder zunächst einmal an sich denkt, dann ist an alle gedacht. Und eine sozialstaatliche Komponente ließe sich sicher einarbeiten, dafür haben wir ja die Gewerkschaften und Sarah Wagenknecht.

    Nur wäre das Fundament eben ein komplett anderes, nämlich ein gesundes. Die Zahl der Beitragszahler wäre immer genau der Zahl der zukünftigen Rentner. Ein solches sachwertbasiertes Rentenmodell wäre sogar vererbbar, weil sich ja Sachwerte nicht mit dem Ableben des Rentners in Luft auflösen. Allerdings müssten sich dann beispielsweise Beamte um ihre eigenen Pensionen kümmern und das ist natürlich ein absolutes No-Go in Zeiten, wo zwei Drittel aller Bundestagsabgeordneten verbeamtet sind.

    Ich habe mit meiner Zahltag-Strategie mein Rentenproblem gelöst. Mein durchschnittliches Dividendeneinkommen wird 2017 in etwa die Höhe der Rente eines durchschnittlichen Neurentners in der Bundesrepublik erreichen. Um ein ähnliches Ergebnis zu erreichen, muss man nicht Finanzwissenschaften studieren. Man muss nur Verantwortung für die eigene Zukunft übernehmen.

    Wir werden im Vorfeld der Bundestagswahlen noch viele Sonntagsreden über die "Reform" des Rentensystems hören. Darunter werden jede Menge völlig unbrauchbare Therapievorschläge sein. 

    Für mich erinnert das an Palliativmedizin - an Ärzte, die Sterbenskranken ihren letzten Lebensabschnitt erträglich machen. Der wesentliche Unterschied: Vor diese Medizinern habe ich angesichts Ihres Tätigkeitsfeldes eine unglaubliche Hochachtung. 

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    Kommentare: 1
    • #1

      Franz Heinze (Mittwoch, 21 Juni 2017 08:18)

      Dein Beitrag ist nahezu eins zu eins auf Österreich übertragbar. Ich selbst bin sehr froh, dass ich mich schon vor Jahren nicht mehr auf Politikerversprechen verlassen habe.

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