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    Wenn Märkte kippen: Vier Symptome, die jeder sehen konnte

    War es das? Am Donnerstag, 10. August 2017, fiel der deutsche Leitindex DAX erstmals seit dem 20. April unter die Marke von 12.000 Punkten. Das Jahreshoch von 12.951,54 Punkten, markiert am 20. Juni, ist damit in weite Ferne gerückt. Der Jahresschlusskurs vom 30. Dezember 2016 betrug 11.481,06 Punkte und ist damit näher als das Hoch. 

    Zum Kassaschluss rettete der DAX sich noch zurück über die runde 12.000, doch der Ausverkauf dürfte im Monatsverlauf weitergehen. Die US-Märkte präsentieren sich am heutigen Tag in Verkaufslaune. Der Dow Jones hat über 140 Punkte abgegeben und musste die 22.000er Marke aufgeben. Der marktbreite S&P 500 notiert mehr als ein Prozent im Minus, die NASDAQ hat mehr als 1,5% verloren.

    Gemeinhin werden die weltpolitischen Spannungen rund um Nordkorea als Grund für die Schwäche der Aktienmärkte angegeben. Ist diese These belastbar? Eher nicht, denn Märkte kennen kein monokausales Verhalten. Die Erzählbären der Fernsehstationen und Internetforen hätten das zwar gern, aber auch sie zaubern ihre Erklärungen immer erst im Nachgang aus dem Hut. 

    Die Wirklichkeit ist komplexer. Die Aktienmärkte in den USA, aber nicht nur dort, sind seit Monaten dem realen Wirtschaftswachstum vorausgeeilt. Egal ob Steuerreform, Gesundheitsreform, Infrastrukturprogramm oder Mexiko-Mauer - Präsident Trump hat bis heute die Erwartungen auch nicht ansatzweise erfüllt, die sich in der "Trump-Rallye" Ende 2016 manifestiert hatten. 

    Der deutsche Aktienmarkt eilte zwar im Frühjahr noch auf neue Allzeithochs, aber jetzt wird sichtbar: Die Wirtschaft sieht tatsächlich weit schlechter aus, als die Politikbeamte, Medien und Statistiker uns das glauben machen wollen.

    • Im zehnten Jahr nach der Finanzkrise und nach einem jahrelangen Boom hat die CDU ein seltsames Wahlkampfziel ausgegeben: Vollbeschäftigung. Bei 2,5 Mio Arbeitslosen und knapp 5 Mio Hartz IV-Empfängern wird es auch höchste Zeit. Ein Glück, dass wir keine Krise hatten in den vergangenen Jahren. 
    • Die glorreiche deutsche Autoindustrie hat sich seit Sommer 2015 geoutet: Es scheint sich in Wirklichkeit um ein Kartell von Wirtschaftskriminellen zu handeln, das erfolgreich technologischen Fortschritt boykottiert. Inzwischen werden bis zu 10.000 Euro Rabatt geboten, wenn man alte Diesel-Dreckschleudern gegen neue deutsche Diesel eintauscht. Hauptsache, niemand kauft amerikanische oder chinesische Elektroautos.
    • Die Infrastruktur ist marode - 6.000 Autobahnbrücken und Hunderte Kilometer Straßen müssen saniert werden, obwohl schon 2005 die LKW-Maut eingeführt wurde, um die Autobahnen zu sanieren. Wo ist das Geld geblieben - 40 Mrd. Euro? Vorsorglich wurde schon mal die Pkw-Maut beschlossen. 
    • Ein Drittel des deutschen Bruttoinlandsproduktes, mehr als 910 Milliarden Euro, sind 2016 an Sozialleistungen umverteilt worden. In den nächsten vier Jahren wird diese Summe die 1 Billion überschreiten. Die deutschen Staatsschulden hingegen haben sich nicht um einen Cent verringert. Sobald die Zinsen weltweit anziehen, wird der deutsche Steuerzahler die Quittung bekommen. Die ersten Steuererhöhungen sind bereits beschlossen - etwa die Kfz.-Steuer, die ab 2018 auf den verschärften Abgasnormen beruhen soll. Andere Abgaben nennt man vorsorglich nicht Steuer - etwa die Umweltplaketten oder die EEG-Umlage.  
    • Die Euro-Krise spitzt sich zu - unbemerkt, denn darüber soll vor der Bundestagswahl nicht gesprochen werden. Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland und Portugal haben nach dem Austritt der Briten genug Stimmen, um Deutschland zum Zahlmeister für ihre Schulden zu machen. Eurobonds wären eine Möglichkeit.  
    • Die Zeit der großen Versprechen hat derweil begonnen, genannt Wahlkampf. Vom Säugling bis zum Rentner - jedem und jeder versprechen die etablierten Parteifunktionäre Geld in Hülle und Fülle. Aus dem deutschen Steuerzahler ist noch viel mehr rauszuholen, sagen sich alle Parteibeamten von links bis rechts, von gelb bis braun. 

    Die Aufzählung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Die Finanzmärkte reagieren auf solche tektonischen Plattenverschiebungen, lange bevor es zum großen Beben kommt. Die Symptome für die derzeitigen Kurseinbrüche waren sichtbar.    

    Erstes Symptom: Mehr Aktien erreichen neue Tiefs als neue Hochs

    Seit dem 28. Juli erreichten in den USA täglich mehr Aktien neue Einmonatstiefs als neue Einmonatshochs. Seit dem 2. August sehen wir auch mehr neue Dreimonatstiefs als Dreimonatshochs. Und seit dem 09. August übersteigt die Zahl neuer 12-Monats-Tiefs die der neuen 12-Monats-Hochs. Der Index der neuen Hochs und neuen Tiefs, kurz NHNL-Index, macht diesen Trend sichtbar. Mein Freund und Lehrer, Dr. Alexander Elder, hat diesen Indikator entwickelt und hält ihn für den besten vorlaufenden Indikator der Aktienmärkte schlechthin. 

    Zweites Symptom: Explodierende Volatilität - der VIX steigt stark an

    Der Volatilitätsindex VIX steigt an - allein am 10. August ist er um fast 40% gestiegen, nachdem er wochenlang neue Tiefs markiert hat. Dabei überschreitet er kurzfristig das obere Bollingerband, einen technischen Indikator. Der VIX zeigt die in Optionen eingepreiste Schwankungsbreite des S&P 500-Index für die nächsten 12 Monate. Diese Optionen sind also drastisch teurer geworden. Wenn man jetzt weiß, dass VIX-Optionen Versicherungen sind - größtenteils gegen Kursrückgänge - die von professionellen Anlegern genutzt werden, dann kann man davon ausgehen, dass irgend jemand erhöhten Versicherungsbedarf verspürt. Hohe Volatilität hat aber auch eine positive Kehrseite: Fallen die Aktienkurse, steigt sie exponentiell an. Im Moment größter Panik gibt's dann Aktien zu Ausverkaufspreisen. Das war beispielsweise vor dem Brexit-Votum, vor den US-Wahlen oder auch vor der Frankreichwahl der Fall. 

    Drittes Symptom: Die Marktstimmung kippt von Gier auf Panik

    Der "Fear & Greed-Index", der auf der Seite von CNN ermittelt wird, fällt seit Tagen. Am 10. August bewegt er sich auf das Panik-Territorium zu. Erreicht die graue Kurve im Bild oben die 20er Marke, darf man wieder über den Aktienkauf nachdenken. Aber erst, wenn die Linie wieder steigt. Extrem emotionale Märkte, insbesondere panische, sind selten nachhaltig panisch. Diese Urinstinkte des menschlichen Reptilienhirns lassen sich nämlich weder planen, noch konservieren. 

    Viertes Symptom: Die VIX-Terminstrukturkurve dreht

    Schließlich noch die Terminstrukturkurve der VIX-Futures. Sie befindet sich normalerweise in einem Zustand, der Contango genannt wird. Vereinfacht gesprochen: Auf kurze Sicht wird in die Volatilitäts-Terminkontrakte eine geringere Schwankungsbreite eingepreist als auf lange Sicht. Das erscheint logisch, denn Aktien können sich nun einmal innerhalb von sechs Monaten viel weiter bewegen als innerhalb von sechs Tagen. Manchmal aber wird dieses Contango gestört - nämlich dann, wenn der Markt kurzfristig hohe Schwankungen einpreist. Dann dreht die Kurve in die so genannte Backwardation. Das bedeutet: Für die nächsten Tage werden Versicherungen gegen Kursrückgänge extrem teuer, während der Markt davon ausgeht, dass in sechs Monaten der Spuk wahrscheinlich vorbei sein wird und die Versicherungen für die weit entfernten Monate billiger sind. 

    Schnallen wir uns also an und schreiben wir unsere Einkaufszettel. In den nächsten Wochen dürfte es einige Aktien, die bislang immer überbewertet und zu teuer waren, zu Sommerschlussverkaufspreisen geben. Die Monate August und September sind für ihr kapriziöses Verhalten bekannt. Was für den einen wie Risiko aussieht, ist für den Investor eine Chance. Denn ich glaube nicht an den Untergang der Weltwirtschaft. Deswegen werde ich in die besten Unternehmen der Welt investieren - sobald der Preis stimmt und die Kurse aufhören zu fallen. 

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    Kommentare: 2
    • #1

      Lektion (Freitag, 11 August 2017 22:26)

      Ich habe auch eine schmerzliche Lektion erfahren müssen,
      habe kurz vor dem 10. August mehrere Short Puts auf interessante Werte rausgegeben.
      Jetzt natürlich durch die höhere Volatilität und dem sinkenden Markt - bezahle ich die Rechnung - einerseits: zu kurz gewählte Zeit (bis 15.Sept) und zweitens hohe Kosten durch die Aktien, die an mich überschrieben werden.

      Lesson learned

    • #2

      Nils Gajowiy (Sonntag, 13 August 2017 18:32)

      Was soll ich sagen - Risikomanagement ist das A und O beim Optionsverkauf. War auch eine meiner teuersten Lektionen. Gruß Nils

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