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    Warren Buffett: Ein Plädoyer für die Aktie

    Die "Briefe an die Shareholder" von Warren Buffett sind Legende. Auch dieses Jahr sind sie erschienen - am letzten Samstag im Februar, wie auch in den vorangegangenen 53 Jahren. Wer das Original lesen möchte: Hier ist der Brief zu finden. 

    Es dürfte der am meisten beachtete Brief eines Vorstandsvorsitzenden an seine Aktionäre sein, der jedes Jahr veröffentlicht wird. CNBC sandte eigens die Journalistin Becky Quick nach Omaha, um Buffett am Montag, 26. Febrar, noch vor Öffnung der Börsen stundenlang zu inverviewen. Und obwohl der Brief selbst in diesem Jahr um rund ein Drittel kürzer ausfällt als in den Vorjahren, bietet er wieder eine Reihe neuer Erkenntnisse. Was unverändert blieb: Es gibt keine bunten Bilder oder Grafiken, lediglich drei, vier Tabellen, die die Buchstabenwüste auflockern. 

    Die Steuerreform und Berkshire Hathaway

     

    Die Aktionäre von Berkshire Hathaway können sich über ein erfolgreiches Jahr 2017 freuen. Der Unternehmenswert stieg um 65,3 Milliarden Dollar, damit erhöhte sich der Buchwert der Aktie nach Steuern um 23%. Der Aktienkurs legte um 21,9% zu. Der S&P 500-Index, inklusive Dividenden und vor Steuern, stieg 2017 um 21,8%. Seit 1965 bescherte das Duo Charlie Munger-Warren Buffett den Aktionären damit einen jährlichen Wertzuwachs von 19,1% durchschnittlich.

    Warren Buffett schränkt allerdings selbst sofort ein: "Nur" 36 Milliarden Dollar Wertzuwachs resultieren aus dem Geschäft von Berkshire und seinen zahlreichen Tochterfirmen und Beteiligungen. 29 Milliarden Dollar lieferte der US-Kongress als Weihnachtsgeschenk mit seiner Steuerreform, es sind reine Buchhaltungsoperationen. Infolge der Steuerreform konnten nämlich in der Berkshire-Bilanz etwa 14 Milliarden Dollar an Steuerrückstellungen auf Beteiligungsgewinne aufgelöst werden, 15 Milliarden resultieren aus veränderten Abschreibungsregeln.  

    Investieren: Fünf Grundprinzipien, die jeden reich machen können

    Auf Grund der schieren Größe des Unternehmens hat Warren Buffett ein Problem, das viele Firmen-Vorstände gern hätten: Er hat zu viel Geld. Zum 31. Dezember 2017 erhöhte sich der Cash-Bestand des Unternehmens um rund 34 Prozent auf 116 Milliarden Dollar. Ein Jahr zuvor waren es noch 86,4 Milliarden Dollar. "Diese außerordentliche Liquidität verdient nur einen Hungerlohn und liegt weit oberhalb des Niveaus, das Charlie und ich uns für Berkshire wünschen. Unser Lächeln wird breiter werden, sobald wir dieses Geld von Berkshire in produktivere Vermögenswerte umgeschichtet haben." 

    Und der Mann gibt gleich die Gebrauchsanweisung für sinnvolle Investitionen dazu, indem er fünf Qualitätskriterien für Akquisitionen definiert: 

    • dauerhafte Wettbewerbsvorteile;
    • fähiges und hochklassiges Management; 
    • gute Gewinne auf die materiellen Vermögenswerte, die notwendig sind, um das Unternehmen zu betreiben; 
    • Möglichkeiten für internes Wachstum und attraktive Gewinne; 
    • ein sinnvoller Kaufpreis. 

    Gerade an vernünftigen Preisen herrschte in den vergangenen Jahren zunehmender Mangel. Da es reichlich billiges Geld gab, trieben viele Vorstandsvorsitzende in einem Übernahme-Kaufrausch die Preise in schwindelerregende Höhen. Sobald ein Vorstandsvorsitzender im Aufsichtsrat oder von einem Berater den Tipp erhält, doch mal eine Firma zu übernehmen, finden sich Legionen von Interessierten, die das Projekt vorantreiben. Die untergebenen Mitarbeiter sehen ihre Herrschaftsbereiche wachsen - und damit ihre Gehälter. Investmentbanker riechen riesige Gebühren- und Beraterhonorare. Und falls das zu kaufende Business lausig ist, werden gern "Synergie-Effekte" prognostiziert. Warren Buffett: "Tabellenkalkulationen enttäuschen nie." Berkshire hatte nie Appetit auf zusätzliche Schulden - und das soll auch so bleiben. 

    "Unsere Aversion gegenüber der Hebelwirkung hat unsere Erträge im Laufe der Jahre gedämpft. Aber Charlie und ich schlafen gut. Wir glauben beide daran, dass es schwachsinnig ist, das zu riskieren, was du hast, um etwas zu erwerben, was du nicht brauchst."

    Berkshires Aktienportfolio

    Zum Jahrsende 2017 hatte Berkshire Hathaways Aktienportfolio einen Marktwert von rund 170,5 Mrd. Dollar. Der Einkaufspreis lag bei 74,6 Mrd. Dollar. Nach der Bank Wells Fargo mit etwa 29,2 Mrd. Dollar ist die Beteiligung an Apple mit über 28 Mrd. Dollar jetzt die zweitgrößte Aktienposition. Allein im vergangenen Jahr hat Berkshire Hathaway mehr als 3,3 Mrd. Dollar in den angebissenen Apfel aus Cupertino investiert. Die nachfolgende Übersicht zeigt die 15 größten Positionen. Nicht berücksichtigt ist dabei die Beteiligung an Kraft Heinz. Hier hält Buffetts Holding rund 325 Millionen Aktien, aber gemeinsam in einer Kontrollgruppe mit dem Investor 3G Capital Partners.    

    Verschwunden aus der Liste ist die Aktie von IBM, einer der Misserfolge in Buffetts Investoren-Leben. Ein "goldenes Händchen" hat er allerdings wieder einmal an anderer Stelle bewiesen: Bei der Aktie der chinesischen BYD Company handelt es sich um den weltweit größten Hersteller von wiederaufladbaren Akkus, die Tochtergesellschaft BYD Auto hat im vergangenen Jahr 300.000 Elektro-Autos auf die Straße gebracht. Wie viele waren es doch gleich in Deutschland?  

    Bemerkenswert sind zwei Dinge: Die Einstiegskosten für das Aktienportfolio von Berkshire lagen bei 74,6 Mrd. Dollar, der Wert hat sich also inzwischen auf das 2,2fache mehr als verdoppelt. Und: Aus diesem Aktienpaket flossen Berkshire im vergangenen Jahr 3,7 Mrd. Dollar Dividenden zu. Das ergibt auf die Investitionssumme eine Dividendenrendite von 4,95 Prozent. Buffett hält diese Rendite aber für deutlich zu tief angesetzt, denn: All diese Unternehmen haben in ihren Bilanzen einbehaltene Gewinne stehen, die sich langfristig kurssteigernd auf die Aktienkurse auswirken. 

    Die Wette: Unerwartete Lektionen

    Am 31. Dezember 2017 endete auch die zehnjährige Wette, die Warren Buffett am 19. Dezember 2007 gegen den Hedgefonds Protegé Partners platzierte. Buffett hatte eine halbe Million Dollar gewettet, dass ein Investment in einen nicht gemanagten Index-Fonds auf den amerikanischen S&P 500-Index über einen Zeitraum von zehn Jahren einen Dach-Hedgefonds schlagen würde. Der Fonds-Manager von Protegé durfte sich dabei ein Portfolio von fünf Dach-Hedgefonds zusammenstellen, die wiederum selbst Portfolios aus Hedgefonds enthielten. Insgesamt arbeiteten so mehr als 200 hochbezahlte, hyperaktive Hedgefonds-Manager daran, über eine Dekade einen einfachen Aktienindex zu schlagen. Das Ergebnis ist ernüchternd - für die Manager. 

    Während der Index-Fonds jährlich durchschnittlich 8,5% zulegte, schaffte keiner der Hedgefonds diese Marke. Die mehr als 200 Hedgefonds-Manager, die an dieser miserablen Performance beteiligt gewesen sein dürften, haben jedoch pro Jahr mindestens 2% Grundgebühr und häufig noch die 20%ige Performance-Fee erhalten. In der ihm eigenen Art schreibt Buffett sarkastisch: "Performance kommt und geht - Gebühren bleiben für immer."

    Während der Wette lernte Buffett selbst eine überraschende Lektion über die Risiken von Anleihen. Beide Wettparteien hatten für jeweils 500.000 Dollar Nennwert Nullkupon-US-Anleihen mit Laufzeit bis 2017 gekauft und dafür 318.250 Dollar bezahlt. Nach Ablauf der Wette hätten sie die 500.000 Dollar Nennwert ausgezahlt bekommen und die Million hätte der Sieger für soziale Zwecke gespendet. Über die zehnjährige Laufzeit hätte das eine Rendite von 4,56% pro Jahr ergeben. Jedoch stieg die Anleihe bis Ende 2012 so stark im Kurs, dass sie 95,7% des Nennwertes erreichte und damit nur noch 0,88% Rendite abgeworfen hätte. Damit hätte die Rendite unterhalb der Inflationsrate gelegen und wäre einer reellen Kaufkraftvernichtung gleichgekommen. 

    „Investieren ist eine Aktivität, bei der man heute auf Konsum verzichtet mit dem Ziel, später mehr konsumieren zu können. Das "Risiko" ist die Möglichkeit, dass das Ziel nicht erreicht wird.“

     

    Genau dieses Risiko wurde durch die mikroskopische Anleihenrendite real: Mit 0,88% Rendite lag die Verzinsung unterhalb der Geldentwertung und hätte damit dazu geführt, dass die begünstigten "Girls Inc. of Omaha" mit ihrer Million im Januar 2018 hätten weniger kaufen können als vor zehn Jahren. Deshalb beschlossen Buffett und sein Wettgegner, die Anleihen zu verkaufen und den Erlös in 11.200 B-Aktien von Berkshire Hathaway zu investieren. Das Ergebnis: Die Girls of Omaha bekamen Anfang 2018 nicht die versprochene eine Million, sondern 2.222.279 Dollar, also mehr als das Doppelte. 

    Aktien sind zwar kurzfristig riskanter als Staatsanleihen. Je länger allerdings die Haltedauer, desto geringer wird das Risiko von Aktieninvestitionen und desto größer wird das Risiko von Anleihen. Denn der festgeschriebene Zinscoupon von langlaufenden Anleihen wächst eben nicht, während die Inflation und eine langfristig wachsende Wirtschaft dafür sorgen, dass Aktionäre auf lange Sicht immer besser abschneiden, als Anleihengläubiger. 

    "Für Investoren mit langfristigem Horizont - darunter Rentenfonds, Universitäts-Stiftungen und sparwillige Privatinvestoren - ist es ein schrecklicher Fehler, ihr Investitionsrisiko durch das Verhältnis von Anleihen zu Aktien in ihrem Portfolio zu definieren. Sehr oft erhöhen hochwertige Anleihen in einem Investment-Portfolio das Risiko."

    Die Wette bestätigte Warren Buffett auch in einer längst bekannten Lektion: Triff große, einfache Entscheidungen und vermeide Aktionismus. Während der zehn Jahre haben mehr als 200 Hedgefonds-Manager Zehntausende Kauf- und Verkaufsentscheidungen getroffen, haben zweifellos hart gearbeitet, Tonnen von 10-K-Berichten gelesen, Vorstände interviewt, Firmen besucht, Konferenzen und Analysten-Meetings abgehalten. 

    Protegé und Buffett hingegen haben in zehn Jahren eine einzige Entscheidung getroffen. Sie haben ihr Anleiheninvestment für ein Gewinnmultiples von mehr als 100 verkauft (95,7 Cent Verkaufspreis/0,88% Zinsen). Für den Erlös hat man in die US-Wirtschaft investiert - in Berkshire-Hathaway. 

    „Nach dieser Analyse auf Kindergarten-Niveau vollzogen Protegé und ich den Wechsel und wir entspannten uns, weil wir sicher waren, dass mit der Zeit 8% mit Sicherheit die 0,88% schlagen würden.“

    Trotz der prägnanten Kürze hat Warren Buffett auf den 16 Seiten des diesjährigen Briefes an seine Geschäftspartner, die Aktionäre, wieder ein Füllhorn der Weisheit ausgeschüttet. Den nächsten Termin sollten sich Investoren und solche, die es werden wollen, schon einmal vormerken: Am Sonnabend, dem 5. Mai 2018, findet das jährliche "Woodstock des Kapitalismus", die Hauptversammlung von Berkshire Hathaway, in Omaha, Nebraska, statt. Die gesamte Veranstaltung wird auf Yahoo als Live-Stream übertragen und verspricht rund sieben Stunden Großes Kino. Im vergangenen Jahr verfolgten 3,1 Millionen Zuschauer in aller Welt das Spektakel, die kurzen Ausschnitte vom Meeting, die auch heute noch abrufbar sind, wurden bislang über 17,1 Millionen Mal angeschaut. Ich war einer davon und werde es auch in diesem Jahr sein.  

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