Es gibt verschiedene Ansichten darüber, was Investieren, insbesondere professionelles Investieren, ist. Manche betrachten es als Hobby, andere gehen gewissenhafter mit ihrem Geld um. In den meisten Diskussionen werden drei Kategorien ins Spiel gebracht - wobei ich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebe.
Da wären zunächst diejenigen, die uns Investieren als Wissenschaft verkaufen wollen. Dazu gehören die meisten so genannten "Finanzexperten" - etwa der nette Bankangestellte in Ihrer Sparkassenfiliale, der Coca-Cola für ein kreuzgefährliches Investment hält, bei dem man Haus und Hof verlieren könnte. Oder professionelle Fonds-Manager, die sich mit Heerscharen von Analysten umgeben, um so eine Aura von Wissenschaftlichkeit und Kompetenz zu erzeugen und ihr Dasein zu rechtfertigen. Anlageexperten und Vermögensberater fallen in diese Kategorie. Oder die Polit-Beamten, die den rentenbeitragszahlenden Bürger natürlich nur schützen wollen vor einer undurchsichtigen, komplizierten und komplexen Materie.
Betrachten wir Wissenschaft als Prozess, kommen wir zu einem einfachen Charakteristikum: Der gleiche Input erzeugt immer den gleichen Output, sofern man die Wissenschaft richtig anwendet. Ob Chemie, Physik, Mathematik - die Ergebnisse eines wissenschaftlichen Prozesses sind immer gleich. Zwei plus Zwei ergibt immer Vier. Kraft ist immer Masse mal Beschleunigung. Gesetze und Prinzipien der Wissenschaft wirken immer und universell.
Ist nun Investieren eine Wissenschaft? Ergeben gleiche Ausgangspositionen und die gleiche Methodik immer das gleiche Ergebnis? Mitnichten, und das liegt nicht nur am menschlichen Unvermögen. Systemtrader, die mit Algorithmen arbeiten und den Menschen weitgehend ausblenden, führen Monte-Carlo-Simulationen ihrer Strategien durch. Es werden Tausende von Testläufen absolviert, um alle Variationen und eine wahrscheinliche Bandbreite von Ergebnissen durchzuspielen. Trotz aller Wissenschaftlichkeit kann es im wahren Leben anders kommen. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist der spektakuläre Aufstieg und Fall von Long-Term Capital Management. Zwei Nobelpreisträger (darunter der Mit-Erfinder der Optionspreisformel, Myron Scholes) und zwei erfahrene institutionelle Trader konnten diesen Hedgefonds, der 1998 fast das Finanzsystem in den Abgrund gerissen hätte, nicht vor der Pleite bewahren. Wären Trading und Investieren Wissenschaften, dürften solche Ereignisse nicht passieren.
Am häufigsten wird Investieren als Kunst dargestellt. Was ist Kunst? Die Werke eines Michelangelo oder eines Rembrandt, die Musik eines Mozart oder der Rolling Stones, Street Art von Banksy, Aktionskunst von Christo, Bücher von Thomas Mann oder John Grisham, Mode von Karl Lagerfeld - das ist Kunst. Der künstlerische Prozess hat zwei Bestandteile - einen handwerklichen und einen inspirativen. Wie man einen Pinsel führt, Noten schreibt oder Sätze zu Büchern formt - das lässt sich lernen. Nicht lernen lässt sich die Inspiration und Kreativität eines Mozart oder eines Michelangelo. Das erfordert eine Vision, Ideen, die zunächst nur im Kopf des Künstlers entstehen, und von ihm in die reale Welt befördert werden. Was Künstler tun, ist absolut individuell und nicht replizierbar. Lass zehn Maler Sonnenblumen malen - und jeder bringt seine eigene Vorstellung ein. Aber nur ein Vincent van Gogh hat damit Weltruhm erlangt. Als er tot war.
Ist nun Investieren eine Kunst? Ein handwerkliches Element hat es auf jeden Fall. Man sollte wissen, WIE man investiert. Schritt für Schritt, wann sind welche Knöpfe zu drücken. Aber Inspiration und Kreativität? Das ist der kürzeste Weg auf den Friedhof der Investoren. Wer an den Finanzmärkten kreativ wird und seine Visionen der Wirklichkeit ("Weiter kann der Kurs nicht fallen.") auf seinem Konto auslebt, wird schnell merken, dass das keine gute Idee ist.
Warum wird Investieren trotzdem gern als Kunst bezeichnet? Man sollte sich die Verkünder solcher Botschaften genau ansehen, denn wahrscheinlich kaschieren sie mit dieser These ihre eigene Unzulänglichkeit. Disziplinlosigkeit, schwammige Regelwerke, Trades oder Verhaltensweisen, die sich rational nicht erklären lassen, werden zu kreativen Akten umgedeutet. Häufig finden wir diese Darstellung bei Buchautoren und Trainern, die nie erfolgreich in den Märkten waren. Aber eben auch die oben genannten "Wissenschafts-Protagonisten" finden sich in diesem Lager gelegentlich.
Halten wir fest: Investieren ist keine Kunst.
Meine These: Investieren ist ein Handwerk. Es ist vergleichbar mit Tischlern, Kochen, Töpfern, Musizieren (nicht Komponieren), Marathon laufen, Stricken oder Gärtnern. Jedes Handwerk braucht theoretische Grundlagen, Wissen. Ein Kochbuch gelesen zu haben, macht mich aber noch nicht zu einem Alfons Schuhbeck. Zu wissen, wie eine Geige Töne erzeugt, macht mich nicht zu einem David Garrett. Ich kann mir ein Youtube-Video darüber anschauen, wie man eine Grundstückseinfahrt pflastert und trotzdem an der praktischen Umsetzung verzweifeln. Wissen allein genügt nicht - man muss auch tun. Sonst wären, um Altmeister Warren Buffett zu zitieren, Bibliothekare die reichsten Menschen der Welt. Das entscheidende am Handwerk ist nicht der Kopf, sondern die Hand - daher wohl auch der Name. Es heißt Handwerk, nicht Kopfwerk.
Ein Handwerk ist eine Fähigkeit, die durch Tun erworben und vervollkommnet wird. Deswegen ist der professionelle Pflasterer mir haushoch überlegen. Deswegen erlegen Jäger vom Stamme der Aché im Osten Paraguays im Alter von 45 Jahren viermal mehr Wild als ihre jungen und flinkeren Stammesbrüder. Deswegen schmeckt die Weihnachtsgans und der Rotkohl von Oma am besten - da stecken 50 Jahre Erfahrung drin.
Investieren lernt man also nicht aus Büchern, obwohl Grundlagenwissen notwendig ist. Investieren lernt man durch Erfahrung. Und diese erfordert Zeit. Neuronale Netze im menschlichen Gehirn erfordern Zeit zum Wachsen. Ein Buch über Warren Buffetts Investmentstrategie ist hilfreich. Aber deswegen ist man noch kein Starinvestor. Dazu gehört das Tun.
Wenn Sie das Handwerk des Investierens erlernen wollen, sollten Sie sich also einen professionellen Investor als Ausbilder suchen. Der Maurerlehrling geht auch nicht beim Autor eines Lehrbuchs über das Bauwesen in die Lehre. Zum vierten Mal biete ich 16 Interessierten eine einjährige Ausbildung zum professionellen Investor an. Sechs Tage Wissensvermittlung am Anfang, in einem Fünf-Sterne-Hotel auf Gran Canaria vom 21. bis 27. Juni. Ein All-Inclusive-Event. Danach zwölf Monate Praxis. Vormachen, Mitmachen, Selbermachen. Erfahrungen sammeln.
Fünf Ausbildungsplätze sind noch verfügbar. Zögern Sie nicht zu lange. Im nächsten Jahr wird es dieses Programm nicht mehr geben.
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Hermann Bernard (Donnerstag, 28 März 2019 17:49)
Möchte mich gerne zum Seminar am 21.06. anmelden
MfG
H. Bernard
h.bernard@gmx.net
Hans (Mittwoch, 14 Juli 2021 18:28)
Was hältst Du heute vom passiven Investieren per ETF in ein Weltportfolio?
Gerade auch angesichts der unerwarteten Krise im letzten Jahr verbunden mit Deinem bisherigen enormen persönlichen Aufwand hinsichtlich Research und Überwachung von Einzeltiteln im Rahmen der Zahltagstrategie?
Die Marktrendite im Vergleich dazu durch passives Investieren ohne größeren Aufwand mitzunehmen um auf diese Weise nach langjähriger Investition mit zu den Investoren mit der besten Rendite zu zählen klingt für mich als Laie recht verlockend.
Siehst Du in diesem Zusammenhang Deinen Beitrag von vor 3 Jahren unverändert:
https://www.gajowiy.com/2018/09/28/das-gro%C3%9Fe-missverst%C3%A4ndnis-wo-gerd-kommer-irrt/